Robert Schumann: Carnaval, Fantasie, Humoresque, Geistervariationen
"Zu Gast bei Schumann Klavier-Rezital mit Konstantin Lukinov Ein quadratischer Raum, zentral im Lichtkegel der Konzertflügel, die Reihen der Zuhörer im Halbdunkel kreisförmig um die Mitte angeordnet: ein Raumbild voll Konzentration und Nähe. Am Flügel Konstantin Lukinov, 30-jähriger Pianist, gebürtig aus Moskau, lange zu Hause in Augsburg und München. "Hommage an Schumann" heißt das Programm. Es folgen zweieinhalb Stunden Schumann, ein gigantisches Vorhaben mit vier großen zyklischen Kompositionen: dem Carnaval op. 9, der Fantasie C-Dur op. 17, der Humoreske op. 20, und zuletzt den "Geistervariationen". Was auch immer - die Formulierung "Lukinov spielt Schumann" trifft den Kern. Sie verweist auf die totale Identifikation des romantischen Komponisten mit seinem Werk. Ob es der qualvolle Liebesschmerz um Clara ist, wie in der Fantasie oder die Freude der Maske, Tanz und Koketterie im Carnaval bzw. der Humoreske - alles verweist auf den Schöpfer, ohne je nur vertonte Biografie zu sein. Eine zweite Identifikation wurde im Laufe des Abends offenkundig: die des Interpreten mit Werk und Person des Komponisten. Hatte Lukinov die Fanfarenakkorde im Carnaval noch etwas zu hemdsärmelig angepackt, wurde sein Spiel danach immer differenzierter, reicher an Zwischentönen unter Ausnützung der vollen Klangpalette des Flügels. Auch die jähen Tempo- und Dynamikwechsel, geradezu bizzar in der Humoreske, gelangen immer überzeugender, von volltönenden Marschrhythmen bis zu feinsten, fast unhörbaren Klanggespinsten. Die etwas theatralische Gestik nach donnernden Schlüssen, gehörte die auch zur Identifikation? Wer weiß schon, wie der junge Schumann agiert hat... Das oft minutenlange, schweigend-versunkene Warten vor der ersten Tastenberührung wirkte überzeugend, vor allem bei den "Geistervariationen", deren Thema der schon am Rande des Wahnsinns lebende Schumann angeblich aus dem Jenseits empfangen hat. Schumann-Lukinov behandelten die in den Variationen immer durchscheinende Melodie wie einen kostbaren Gegenstand, ohne jede virtuose Prätention, am Ende sanft ersterbend. Ein wunderbar ergreifender, stimmiger Schluss - dessen Wirkung der unersättliche Pianist mit einer hochvirtuosen Schumann-Zugabe fast zunichtegemacht hätte. Gleichwohl ein denkwürdiger, mit Begeisterung aufgenommener Abend in Benedikt Riemanns (sic!) Konzertreihe "Augsburg Konzerte". " (Augsburger Allgemeine, 13.03.19)
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